Mittwoch, 16. Januar 2019

Herz, Klappe!




Herz, Klappe!

Klappe die Erste:
Gehorsam

"Sei still! Sei endlich still!
Wie oft hab ich dir gesagt, dass das, was du denkst, falsch ist!"
Dabei hatte der Ritter gar nicht zugehört, was das Herz gesagt hatte.
"Dem ist es doch egal, was ich von meinen Gefühlen und Gedanken sage", dachte das Herz.
Der Ritter konnte aber nicht hören und verstehen und so nicht durch Worte in seiner Starrheit bewegt werden.
Denn sein Verstand war starr.
Er fühlte sich gut in seiner Ritterrüstung. Also, er war es gewohnt. Etwas eingeengt, etwas unbeweglich, manchmal beschwerlich, aber sehr sicher und beschützt.
Er war ein Ritter, das war seine Festung. Sein einziger Sinn: Ritter sein.
Einmal Ritter, immer Ritter. Bis zum Tod.
Es ging ihm nicht um eine überlegte Unterdrückung, weil er sich so gering fühlte, dass ein falsches Wort ihn überrollen könnte. Er dachte nicht, er machte!
Er war Ritter und nicht Zuhörer.
Er hatte Angst die Zugbrücke runterzulassen, Neues und Licht in seine Festung zu lassen.
Im Dunkeln sieht es sich am leichtesten.
Nichts, was einen gefährden könnte.
Doch würde er vielleicht schöne Zimmer sehen, oder hässliche und später einmal dort schöne Ecken, die er vorher nicht gekannt hatte.
Dafür müsste er die schweren Tore öffnen.
Der Ritter hatte Angst dem Herz mehr Aufmerksamkeit als sich selbst zu schenken, weil er es dadurch gefühlsmäßig erhob. Nicht, dass dieses verrückte Herz mal stärker würde als er.
Nein, der Ritter hatte keine Angst, denn sich spüren, sein Selbst reflektieren, das konnte er nicht. Was fühlte er selbst?
Die Ritterrüstung hatte kein Selbst.
Das hatte man ihm vor langer Zeit zerdrückt.
Was einem selbst nicht innewohnt, kann einem nicht gestohlen werden oder vermisst werden.
An der Stelle stand der Wahnsinn:
alles, was zu nah kommt, gegen seine Nicht-selbst-Festung verteidigen.
Und wenn er doch kein Selbst mehr hatte und somit auch nicht über sich selbst nachdenken konnte, wie sollte er dann an etwas so gutes Wesentliches glauben können, was er durch seine Leichtfertigkeit zerstörte?

Da hielt das Herz seine Klappe und verschloss sich.


Klappe die Zweite:
Rebellion

"Still gestanden, Herz!
Gehorsam! Ordnung! Hör, was ich dir sage!"

Das Herz machte zu und hörte nicht und ging einfach weiter.

Der Befehlende war innerlich starr wie eine Leiche. Er konnte nicht mehr viel verstehen. Denn sein Seelenleben war tot.
Dem Fortschreiten des Herzens galt seine Verehrung, sein Neid in Form von Verachtung und Unterdrückung.
Reine Provokation!
Der Befehlende hörte ohne zu verstehen nur Ignoranz und Missachtung gegen seine Anweisung. Sein Angriff war instinktiv, nicht überlegt.
Insgeheim waberte in ihm ein gutes Gefühl von Stärke, ohne irgendwelche inneren Vorgänge bewusst wahrzunehmen.
Sich zu wundern, wo das Herz seinen Mut hernahm, wie es einfach weiter gehen kann, kam ihm nicht in den Sinn.
Denn sein Sinn war ihm vor langer Zeit genommen worden.

Vor langer Zeit war der Befehlende auch mal ein Herz gewesen.
Er hatte gewusst, was ihm Spaß machte.
Er hatte gewusst, was ihm wichtig war und was er wollte.
Doch früh hämmerten Befehle und Regeln auf ihn ein, was er tun sollte und was er wissen sollte. Noch bevor er über irgendwas nachdenken oder streiten konnte. Wehrlos aus der Größe heraus und des entwicklungsgefährdeten Verstehens. Bevor er "Ich bin"denken konnte, musste er "ich soll" machen und lernte ohne zu verstehen, dass er nichts ist.
Falsches Verhalten wurde bestraft, er wurde geschwächt. Erklärte Fehler waren für ihn nicht zu verstehen und wirklich unmöglich lehrreich. Nach Trotz und Gegenwehr folgte noch mehr Strafe. Die unterdrückenden Befehlshaber wollten nicht verstehen und ihm zuhören, dachte er. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie aber gar nicht konnten, weil der Verstand in Ketten lag. Und wie das Gefühl vergessen war.
Um sich Wertschätzung zu verdienen, musste man sich den anderen fügen, das war der einzige Ausweg. Ein neuer Sinn.
Später hatte er zwar noch gewusst, wie er sein Leben gestalten wollte, doch wusste er um die vielen Gegenargumente, die den Spielraum einengten. Auch aus ihm selbst heraus, wo die Flamme seines Selbstes drohte durch innere Gegenwinde zu erlöschen.

Und dann war der beste Freund von ihm allein geworden, als er eines Tages im grauen Strom gleichförmiger Wellen mitgelaufen war.
Er hatte seine wilden Gedanken und Gefühle nicht weiter gegen den Strom der Ordnung verteidigen können.
Die Angst vor der äußere Bedrohung hatte ein Stück seiner inneren Größe und Stärke, die nötig gewesen wäre, die Vererbung des Seelenleidens endgültig auszurotten, gefressen. Er war Leidtragender und -übergebender geworden.
Er hatte die Angst, sich nicht ewig verteidigen zu können und allein zu sein, nicht überwinden können und fügte sich einfach in den tragenden Strom.

Er hatte auch nicht mehr an einen Wandel zum Guten glauben können, dass es sich lohnen könnte, weiter selbst zu sein.
Jetzt war er gefangen im Endlosstrudel von Gleichheit und Gewohnheit. Einfacher und bequemer war es. Die dauernde Anstrengung war überwunden. Viele, viele Freunde, die genau waren wie er, mit denen er sich nie streiten musste, hatte er gefunden.
"Klappe, Herz!", hatte er so oft geschrien, dass sein Selbst still blieb, bis er es vergessen hatte.
Er hatte nicht die Hoffnung gefunden, die sein Freund gefunden hatte. Er litt seither unter dem Gefühl, dass sein wirkliches Leben vorbei war.
Heimzahlen wollte er irgendwann diese Vernichtung. Wut! Er war nicht verantwortlich für seine Unterdrückung!

Der Freund hatte auch schon einstweilen über Angst vor dem Sterben der Seele nachgedacht. Wie die Angst vor Verachtung und Streit entsteht und was andere in die Selbstaufgabe treibt.
Doch der Freund hatte Hoffnung gehabt. Es gab auch noch ein paar Regenbogenkröten, die auf lustigste Weise über den Wellen schwebten. Für sie und sich wollte er nicht kämpfen. Sich verteidigen? Oder zum Angriff ansetzen? Nein. Die gleichen Einfachen glaubten in der einfachen Ordnung etwas Hohes gefunden zu haben.
Vielleicht würden die bunten Schwebenden freiwillig mit ihm gehen wollen, ohne ihm zu folgen.
Er würde ihnen auch folgen, denn es war ein freiwilliges Folgen.
Und wäre er sogar ganz alleine selbst geblieben, hätte er sich doch vorstellen können, dass es irgendwo jemandem ähnlich geht, der hofft, jemanden zu finden, der frei herumläuft.
Jemanden, der in der gleichen, freien, offenen und chaotischen Welt lebt.
Er glaubte, es werde schon alles gut werden und fürchtete keine Bedrohung mehr vor dem Strom. Denn man werde ja nur davon gefangengen werden, wenn man sich fangen lässt.
Im Tarnmantel entschlossenen Schrittes würde ihn keiner erkennen.
Die gedachten Gegner waren nur Verlierer ihres Selbstes.
All die Unterdrückenden mussten unterdrücken, weil sie selbst einst zu klein gedrückt worden waren, alleine laufen zu können. Sie waren einfach Unterdrückende, ohne zu merken, dass sie auch sich selbst unterdrücken.
Denn dafür waren sie zu begrenzt.
Wenn er sich einfach weiter größer fühlen würde und den Kleingedrückten Mitleid spenden würde, oder Hoffnung auf Befreiung, den Mehrwert der Befreiung:
Selbst sein. Vor allem, dass es sich lohnt auf sich selbst zu warten und auf Auseinandersetzungen, diese zu lösen, und als innere bereichernde Entwicklung zu sehen. Die Wiederbelebung würde gehen, wenn die innere Kerze noch nicht ganz ausgelöscht war.
Denn auch seelisch Tote kann man nicht wiederbeleben. Zum Glück merken sie es selber nicht, wenn sie geistlos daher wandeln.
Entwicklung ist der Sinn des Lebens.
Die Einfachheit war ihr Tod geworden.
Das Vermeiden von Schwierigkeiten, Problemen und Auseinandersetzungen.
Starrheit, begrenzt von Gefängnisgittern.
Selbst eingetreten, den Schlüssel verloren, doch keine Zeit zu suchen.

Ach hätten die brüllenden Begrenzten nur dem Herz Offenheit und Verständnis entgegen bringen können, das was sie sich auch seit immer gewünscht hatten.
Hätten sie einfach gegeben, was das Herz braucht. Stattdessen mussten sie ihr Leid weitervererben.
Hätten sie verstanden, dass wenn sie das Herz wertschätzen, selber nicht an Wert verlieren.
Hätten sie nur den Wunsch erfüllt, dem Herz selber zuzuhören statt es hören zu lassen. Und hätten sie gehört, was sie sagen.
Doch am Ende waren sie selbst ertrunken.
Im Herzblut, denn das Herz hatte sich wieder geöffnet und schuf unaufhörlich Wert. Und es ging weiter.
Das Herz schlug stark und kräftig, ohne jemals jemanden treffen zu wollen!


















Klappe die Dritte:
Zwei Herzen im Gleichgewicht

Sie waren so verbunden, dass jeder Streit nur dazu da war, zu zeigen, dass Zusammenhalt trotz Unterschieden funktioniert.
Es war eine stille Abmachung, dass Standpunkt und Tat vor dem Menschen bloß Wolken vor der Sonne sind. Die Sonne strahlt und leuchtet immer, obwohl sie ab und an verdeckt ist.
Trotzdem denkt man bei Sonne ja nicht immer automatisch an ihren Untergang und Wolken.

Nachwort
Wenn das Leben nicht beschwerlich und ohne Widerstände wäre, wäre es doch ein langweiliges Kinderspiel.
Ich glaube, es ist keine leichte Kunst im Schwierigen das Schöne zu sehen, in der Trauer das Schöne zu sehen, weil die Verwandlung nicht unmittelbar geschieht.
Da benötigt es Glaube.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen