Herz, Klappe!
Klappe die Erste:
Gehorsam
"Sei
still! Sei endlich still!
Wie
oft hab ich dir gesagt, dass das, was du denkst, falsch ist!"
Dabei
hatte der Ritter gar nicht zugehört, was das Herz gesagt hatte.
"Dem
ist es doch egal, was ich von meinen Gefühlen und Gedanken sage", dachte
das Herz.
Der
Ritter konnte aber nicht hören und verstehen und so nicht durch Worte in seiner
Starrheit bewegt werden.
Denn
sein Verstand war starr.
Er
fühlte sich gut in seiner Ritterrüstung. Also, er war es gewohnt. Etwas eingeengt,
etwas unbeweglich, manchmal beschwerlich, aber sehr sicher und beschützt.
Er
war ein Ritter, das war seine Festung. Sein einziger Sinn: Ritter sein.
Einmal
Ritter, immer Ritter. Bis zum Tod.
Es
ging ihm nicht um eine überlegte Unterdrückung, weil er sich so gering fühlte,
dass ein falsches Wort ihn überrollen könnte. Er dachte nicht, er machte!
Er
war Ritter und nicht Zuhörer.
Er
hatte Angst die Zugbrücke runterzulassen, Neues und Licht in seine Festung zu
lassen.
Im
Dunkeln sieht es sich am leichtesten.
Nichts,
was einen gefährden könnte.
Doch
würde er vielleicht schöne Zimmer sehen, oder hässliche und später einmal dort
schöne Ecken, die er vorher nicht gekannt hatte.
Dafür
müsste er die schweren Tore öffnen.
Der
Ritter hatte Angst dem Herz mehr Aufmerksamkeit als sich selbst zu schenken,
weil er es dadurch gefühlsmäßig erhob. Nicht, dass dieses verrückte Herz mal
stärker würde als er.
Nein,
der Ritter hatte keine Angst, denn sich spüren, sein Selbst reflektieren, das
konnte er nicht. Was fühlte er selbst?
Die
Ritterrüstung hatte kein Selbst.
Das
hatte man ihm vor langer Zeit zerdrückt.
Was
einem selbst nicht innewohnt, kann einem nicht gestohlen werden oder vermisst
werden.
An
der Stelle stand der Wahnsinn:
alles,
was zu nah kommt, gegen seine Nicht-selbst-Festung verteidigen.
Und
wenn er doch kein Selbst mehr hatte und somit auch nicht über sich selbst
nachdenken konnte, wie sollte er dann an etwas so gutes Wesentliches glauben
können, was er durch seine Leichtfertigkeit zerstörte?
Da
hielt das Herz seine Klappe und verschloss sich.
Klappe die Zweite:
Rebellion
"Still
gestanden, Herz!
Gehorsam!
Ordnung! Hör, was ich dir sage!"
Das
Herz machte zu und hörte nicht und ging einfach weiter.
Der
Befehlende war innerlich starr wie eine Leiche. Er konnte nicht mehr viel
verstehen. Denn sein Seelenleben war tot.
Dem
Fortschreiten des Herzens galt seine Verehrung, sein Neid in Form von
Verachtung und Unterdrückung.
Reine
Provokation!
Der
Befehlende hörte ohne zu verstehen nur Ignoranz und Missachtung gegen seine
Anweisung. Sein Angriff war instinktiv, nicht überlegt.
Insgeheim
waberte in ihm ein gutes Gefühl von Stärke, ohne irgendwelche inneren Vorgänge
bewusst wahrzunehmen.
Sich
zu wundern, wo das Herz seinen Mut hernahm, wie es einfach weiter gehen kann,
kam ihm nicht in den Sinn.
Denn
sein Sinn war ihm vor langer Zeit genommen worden.
Vor
langer Zeit war der Befehlende auch mal ein Herz gewesen.
Er
hatte gewusst, was ihm Spaß machte.
Er
hatte gewusst, was ihm wichtig war und was er wollte.
Doch
früh hämmerten Befehle und Regeln auf ihn ein, was er tun sollte und was er
wissen sollte. Noch bevor er über irgendwas nachdenken oder streiten konnte.
Wehrlos aus der Größe heraus und des entwicklungsgefährdeten Verstehens. Bevor
er "Ich bin"denken konnte, musste er "ich soll" machen und
lernte ohne zu verstehen, dass er nichts ist.
Falsches
Verhalten wurde bestraft, er wurde geschwächt. Erklärte Fehler waren für ihn
nicht zu verstehen und wirklich unmöglich lehrreich. Nach Trotz und Gegenwehr
folgte noch mehr Strafe. Die unterdrückenden Befehlshaber wollten nicht
verstehen und ihm zuhören, dachte er. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie
aber gar nicht konnten, weil der Verstand in Ketten lag. Und wie das Gefühl
vergessen war.
Um
sich Wertschätzung zu verdienen, musste man sich den anderen fügen, das war der
einzige Ausweg. Ein neuer Sinn.
Später
hatte er zwar noch gewusst, wie er sein Leben gestalten wollte, doch wusste er
um die vielen Gegenargumente, die den Spielraum einengten. Auch aus ihm selbst
heraus, wo die Flamme seines Selbstes drohte durch innere Gegenwinde zu
erlöschen.
Und
dann war der beste Freund von ihm allein geworden, als er eines Tages im grauen
Strom gleichförmiger Wellen mitgelaufen war.
Er
hatte seine wilden Gedanken und Gefühle nicht weiter gegen den Strom der
Ordnung verteidigen können.
Die
Angst vor der äußere Bedrohung hatte ein Stück seiner inneren Größe und Stärke,
die nötig gewesen wäre, die Vererbung des Seelenleidens endgültig auszurotten,
gefressen. Er war Leidtragender und -übergebender geworden.
Er
hatte die Angst, sich nicht ewig verteidigen zu können und allein zu sein,
nicht überwinden können und fügte sich einfach in den tragenden Strom.
Er
hatte auch nicht mehr an einen Wandel zum Guten glauben können, dass es sich
lohnen könnte, weiter selbst zu sein.
Jetzt
war er gefangen im Endlosstrudel von Gleichheit und Gewohnheit. Einfacher und
bequemer war es. Die dauernde Anstrengung war überwunden. Viele, viele Freunde,
die genau waren wie er, mit denen er sich nie streiten musste, hatte er
gefunden.
"Klappe,
Herz!", hatte er so oft geschrien, dass sein Selbst still blieb, bis er es
vergessen hatte.
Er
hatte nicht die Hoffnung gefunden, die sein Freund gefunden hatte. Er litt seither
unter dem Gefühl, dass sein wirkliches Leben vorbei war.
Heimzahlen
wollte er irgendwann diese Vernichtung. Wut! Er war nicht verantwortlich für
seine Unterdrückung!
Der
Freund hatte auch schon einstweilen über Angst vor dem Sterben der Seele nachgedacht.
Wie die Angst vor Verachtung und Streit entsteht und was andere in die
Selbstaufgabe treibt.
Doch
der Freund hatte Hoffnung gehabt. Es gab auch noch ein paar Regenbogenkröten,
die auf lustigste Weise über den Wellen schwebten. Für sie und sich wollte er
nicht kämpfen. Sich verteidigen? Oder zum Angriff ansetzen? Nein. Die gleichen
Einfachen glaubten in der einfachen Ordnung etwas Hohes gefunden zu haben.
Vielleicht
würden die bunten Schwebenden freiwillig mit ihm gehen wollen, ohne ihm zu
folgen.
Er
würde ihnen auch folgen, denn es war ein freiwilliges Folgen.
Und
wäre er sogar ganz alleine selbst geblieben, hätte er sich doch vorstellen
können, dass es irgendwo jemandem ähnlich geht, der hofft, jemanden zu finden,
der frei herumläuft.
Jemanden,
der in der gleichen, freien, offenen und chaotischen Welt lebt.
Er
glaubte, es werde schon alles gut werden und fürchtete keine Bedrohung mehr vor
dem Strom. Denn man werde ja nur davon gefangengen werden, wenn man sich fangen
lässt.
Im
Tarnmantel entschlossenen Schrittes würde ihn keiner erkennen.
Die
gedachten Gegner waren nur Verlierer ihres Selbstes.
All
die Unterdrückenden mussten unterdrücken, weil sie selbst einst zu klein
gedrückt worden waren, alleine laufen zu können. Sie waren einfach Unterdrückende,
ohne zu merken, dass sie auch sich selbst unterdrücken.
Denn
dafür waren sie zu begrenzt.
Wenn
er sich einfach weiter größer fühlen würde und den Kleingedrückten Mitleid
spenden würde, oder Hoffnung auf Befreiung, den Mehrwert der Befreiung:
Selbst
sein. Vor allem, dass es sich lohnt auf sich selbst zu warten und auf
Auseinandersetzungen, diese zu lösen, und als innere bereichernde Entwicklung
zu sehen. Die Wiederbelebung würde gehen, wenn die innere Kerze noch nicht ganz
ausgelöscht war.
Denn
auch seelisch Tote kann man nicht wiederbeleben. Zum Glück merken sie es selber
nicht, wenn sie geistlos daher wandeln.
Entwicklung
ist der Sinn des Lebens.
Die
Einfachheit war ihr Tod geworden.
Das
Vermeiden von Schwierigkeiten, Problemen und Auseinandersetzungen.
Starrheit,
begrenzt von Gefängnisgittern.
Selbst
eingetreten, den Schlüssel verloren, doch keine Zeit zu suchen.
Ach
hätten die brüllenden Begrenzten nur dem Herz Offenheit und Verständnis
entgegen bringen können, das was sie sich auch seit immer gewünscht hatten.
Hätten
sie einfach gegeben, was das Herz braucht. Stattdessen mussten sie ihr Leid
weitervererben.
Hätten
sie verstanden, dass wenn sie das Herz wertschätzen, selber nicht an Wert
verlieren.
Hätten
sie nur den Wunsch erfüllt, dem Herz selber zuzuhören statt es hören zu lassen.
Und hätten sie gehört, was sie sagen.
Doch
am Ende waren sie selbst ertrunken.
Im
Herzblut, denn das Herz hatte sich wieder geöffnet und schuf unaufhörlich Wert.
Und es ging weiter.
Das
Herz schlug stark und kräftig, ohne jemals jemanden treffen zu wollen!
Klappe die Dritte:
Zwei
Herzen im Gleichgewicht
Sie
waren so verbunden, dass jeder Streit nur dazu da war, zu zeigen, dass
Zusammenhalt trotz Unterschieden funktioniert.
Es
war eine stille Abmachung, dass Standpunkt und Tat vor dem Menschen bloß Wolken
vor der Sonne sind. Die Sonne strahlt und leuchtet immer, obwohl sie ab und an
verdeckt ist.
Trotzdem
denkt man bei Sonne ja nicht immer automatisch an ihren Untergang und Wolken.
Nachwort
Wenn
das Leben nicht beschwerlich und ohne Widerstände wäre, wäre es doch ein
langweiliges Kinderspiel.
Ich
glaube, es ist keine leichte Kunst im Schwierigen das Schöne zu sehen, in der
Trauer das Schöne zu sehen, weil die Verwandlung nicht unmittelbar geschieht.
Da
benötigt es Glaube.
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