8. Juni 2019, Mittagszeit
Ohne Lebewesen wäre vermutlich wirklich alles egal und bedeutungslos, weil nichts mehr bewertet, auf nichts reagiert werden müsste. Es wäre zwar für uns ein Unterschied, ob ein Stein vom Himmel fällt und einen Kratzer hinterlässt, aber so würde keiner darüber nachdenken oder sich daran anpassen außer der Boden.
Ich mag die Beschreibung von Kunst, dass sie das Kleine, natürlicherweise Bedeutungslose sichtbar macht.
Jede gewählte Ausdrucksart ist dazu fähig, das künstlich abzubilden, was der Schaffende als abbildungswert empfand.
Ich habe vorhin einen Wrap mit Kochschinken, Pesto, Mais, Tomate und Paprika gegessen und dann die Wäsche aufgehängt. Keinen Apfelstrudel gab es zum Nachtisch.
Es mögen unwichtige Kleinigkeiten sein, doch würde ich ehrlich auch meine eigene Existenz als Unwichtigkeit betrachten. Die Erde dreht sich auch ohne Menschen weiter und irgendwelche extrem angepassten Einzeller würden irgendwann wieder Mehrzeller bilden.
Das klingt vielleicht heftig, aber am Ende ist alles egal und es ist nur möglich, bis dahin das Bestmöglichste zu versuchen.
Besteht der Wert des Lebens dadurch, dass wenn ich dagegen hielte, mich direkt selbst auslöschen müsste, weil ich auch en Lebewesen bin? Bin ich wichtiger als die Mücke, die nur einen kleinen Teil meines Lebenssafts verschlingen will? Bestehen die Grenzziehungen zwischen Lebewesen, - Tieren, Pflanzen, Bakterien etc. - nicht nur im Verhältnis zum Menschen als geglaubt höchster Lebensform?
Das Aufhängen der Wäsche stellt immer kein großes Problem dar, auch jetzt nicht, wo ein Spannbettlaken und Bettdeckenbezug mit bei waren, die viel Platz brauchen.
Seit dem Spendenlauf im Heidelberger Zoo für das Lemuren-Gehege letztes Jahr nutze ich den Trockner nicht mehr.
Im Zoo waren Hinweis-Tafeln zum Energieverbrauch aufgestellt.
Wie beim Putzen sehe ich das Aufhängen nicht als Verlust der Lebenszeit, sondern finde diese Zeiten gerade dadurch wertvoll, dass ich sie mir leisten kann.
Und ich habe das Gefühl, dass es mehr nutzt als kostet. Zwar hatte ich in dem Freilauf die Gedanken zu diesem Text, die eigentlichen Prioritäten gerade noch in der Quere stehen, aber kurzerhand ist es ein liebgewonnener Zeitfresser geworden.
Zeit ist für mich eine Frage der Prioritäten.
Tatsächlich eine Kosten-Nutzen-Analyse, für die es keine Formeln gibt.
Und die Prioritäten unterliegen keinem Gesetz und sind wandelbar.
Nicht nur das Aufhängen der Wäsche kostet Zeit, sondern auch das Trocknen.
Und jetzt das Spinnen der Gedanken, die das Aufhängen entzündet hat.
Warum muss die Wäsche schon in 2-3 Stunden schranktrocken sein? Wenn mir jemand Erdbeeren schenken will, nehme ich die ja auch nicht an, nur weil es möglich ist.
Insgesamt lasse ich mir Manches nicht gerne von der Technik abnehmen und freue mich darüber, wie besonders ich es fand, aus Spaß vor einigen Tagen mal den Fahrstuhl benutzt zu haben.
Die Zeit des Nationalsozialismus oder angefeindete Erkenntnisse in der Wissenschaft oder das Stummschalten unpopulärer Experten heute, zeigt für mich, dass Wahrheit und Richtigkeit keine Mehrheitsentscheidung sind.
Gerade die Gewöhnung, das einfache Benutzen von Dingen, Regeln und Regelmäßigkeit, erzeugt irgendwie Bewusstlosigkeit und Blindheit, was ich ich als Lahm-Macher, Müde- und Langeweile-Macher empfinde.
Wenn ich verstehe, warum eine Regel da ist oder ich eine Sache mache, die Wichtigkeit bewusst geworden ist, mache ich sie lieber und besser. Ich denke, das ist normal.
Jedes Angebot, dazu zähle ich auch Medien und Kostenloses, eigentlich alles, was die Sinne reizt, ist in meinen Augen ein Schrei nach Aufmerksamkeit. "Hier bin ich!", "Bewerte mich!", "Ich bin wichtig!".
Gerade, um die Lebendigkeit und Macht über sein Leben nicht zu verlieren, ist da die Fähigkeit wichtig, sich nicht als Opfer unveränderbarer Umstände zu fühlen.
Sodass man sich am Ende als freies, lebendiges Individuum fühlen kann.
Auf jeden Fall will ich meinen Trick teilen, großflächige Wäsche wie Laken zu trocknen. Einfach zwei Stühle auseinander stellen und über ihre Lehnen hängen.
Der Deckenbezug liegt über den Kleidungsstücken auf dem Wäscheständer.
Ich glaube, irgendwann wird alles trocken sein, erfahrungsgemäß, in 1-2 Tagen.
Ich habe ja noch andere Wäsche auf Lager.
Für mich gibt es nicht nur die Frage, wie viel Kleidung ich haben will, sondern auch wie oft ich sie waschen will.
Da denke ich gerade, nach welchen Kriterien ich die Häufigkeit des Waschens ausrichten könnte. Unterhosen 2-3mal tragen? Die Zahl des Tragens? Voller Wäschebeutel? Eigenes Gefühl beim Tragen? Fremdeinschätzung des Geruchs.
Die Häufigkeit des Waschens war bisher bei mir automatisiert. Es ist doch komisch, dass auf der einen Seite Automatisierungsprozesse dank Digitalisierung voranschreiten, aber im Gegensatz Mensch wieder mehr zu Bewusstsein und Achtsamkeit kommen wollen, also weg von eigener Automatisierung.
Mir fiel auf, warum ich denn so viele Unterhosen aufzuhängen hatte. Wahrscheinlich war das eine übervorsichtige Präventivmaßnahme, nicht negativ aufzufallen.
Irgendwie kamen mir die vielen Unterhosen etwas zu bekannt vor. Weil ich sie zu oft wechselte? Sie mir alle gleich vertraut sind? Will ich vielleicht mehr und neue Unterhosen haben, dass mein Leben unter der Gürtellinie bunter und spannender wird?
Ich beherrschte mich schnell und drillte mich zur Treue und Bescheidenheit mit den Unterhosen, um die ich mich schon zu kümmern habe.
So mache ich es auch im Lidl oder manchmal mit Information, sobald ich mich beobachte, zu gierig nach Neuem zu stieren, und vor allem auch Überlastung, mich etwas zu befreien.
Direkt zur Kasse oder ein paar Browser-Tabs weg oder Zeitungen weg.
Das ist wohl ein Manko der Offenheit, die mögliche Konkurrenz verschiedener Dinge.
Ach ist es nicht langweilig, immer die gleiche Kleidung zu tragen? Darf ich nicht mehr Kleidung kaufen und besitzen, um ein aufregenderes Leben zu haben?
Ich kann mich noch mit der Vorstellung genügend begnügen, statt dass ich anfange, das Immer-Gleiche zum Langweiligen umzudenken,
es doch einfacher ist, im scheinbar Gleichen, Langweiligen, Blöden und Bösen mehr zu erkennen.
Am Ende hat die gleiche Kleidung den Vorteil, nicht übers Anziehen und Stylen nachdenken zu müssen. Man darf ja anziehen, was man will. Aber kann man wirklich anziehen, was man will?
Ansonsten müsste, könnte ich auch immer andere Rezepte kochen, verschiedene Partner und Länder in die Liste des geileren Lebens aufnehmen.
Allein, dass ich immer atmen muss, ist doch eine Wiederholung. So unnötig viel atme ich, dass ich diese große Wichtigkeit des Lebens bis gerade vergessen hatte.
Nicht jede Wiederholung und Regelmäßigkeit ist langweilig. Oder eher: Atmen ist langweilig, aber trotzdem wichtig. Finde ich.
Ich hätte mich aufregen können, dass die eine rote Halbsocke fehlte. Dass es Zeit raubt, sie extra suchen zu müssen.
Ich hätte mich über die Waschmaschine aufregen können, die sonst Kleinteile an sich reißt. In der Waschmaschine war sie nicht.
In der kurzen Hose und auch im T-Shirt hing sie nicht fest. Im Laken steckte sie! Ein Nachteil vom Spannbettlaken, dass es Kleidung frisst, die kleiner ist als es selbst.
Ich freute mich über die kleine, rote Socke, die für ihre Größe sich so raffiniert verstecken kann. Das Leblose ohne Gehirn hatte im Versteckspiel gegen mich lange durchgehalten.
Oder sollte ich dem Laken eine reinhauen, dass es die Socke vesteckt hatte? Zeitdieb! Am Ende weiß ich nicht, wer schuld an diesem kindischen Versteckspiel gewesen ist.
Ich habe keine Lust, im Leben eine Spirale der Sinnlosigkeit und einen Strudel von Langeweile zu sehen und empfehle, sich den Strudel der Langeweile so neu zu backen, dass ein süßer, saftiger Apfelstrudel rauskommt.
Und statt mehr als den Apfelstrudel zu wollen oder was anderes kann manchmal das Denken und Fantasieren über Alternativen - oder den selbsterkannten Unsinn des Wunsches - schon sättigen.
Ich finde, man muss nicht den Traum leben, wenn man über das Leben stark genug träumen kann.
Und wenn der Traum nur Traum bleibt, war er vielleicht nur ein junger Traum, eine kleine Fantasie, die zum Traum wachsen kann und als sehnsüchtigste Verwirklichung im Leben gegenständlich werden kann.
Am Ende hat mich der Text über eine Stunde gekostet, ein gutes Siebtel der Zeit des gestrigen.
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