Die Leserin
mit einer Einleitung
von Deutschlehrerin Frau Schmitt, Klassenarbeit zum kreativen Schreiben :D
Obwohl es bereits Mitte November war, wollte
der Herbst noch nicht beginnen. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne strahlte
mit all ihrer Kraft und die Leute saßen im Freien und genossen ihren Kaffee
oder etwas anderes und unterhielten sich. Es war ein Bild der Ruhe und
Zufriedenheit. Auch ich saß mit einem Buch in der Hand auf einer Bank an der
Neckarwiese, als sich jemand neben mich setzte, mich studierte, denn das fühlte
ich, und ich sichtlich innerlich nervös wurde. Ich tat so, als bemerkte ich es
nicht, wagte dann aber doch für einen kurzen Moment aufzuschauen.
Da saß ein bildhübsches Mädchen, was mich
freundlich anblinzelte. Es fehlte nur der Heiligenschein und ich hätte gedacht,
ein Engel hätte sich zu mir gesetzt. Blondes Haar, blaue Augen und eine
possierliche Nase. Und dann dieses Lächeln auf den Lippen. Schnell wendete ich
den Blick verlegen ab und starrte angespannt auf mein Buch. Ich konnte mich
allerdings gar nicht mehr konzentrieren. Ich schlug das Buch zu und seufzte
nachdenklich. Ich schloss kurz meine Augen, ging tief in mich und sagte leise: „Hallo,
ich schreibe gerade ein Telefonbuch. Könnte ich vielleiht auch deine Nummer haben?“
Ich hatte einmal gehört, dass wenn ein Mädchen einen interessant findet, dann
wäre es egal, was man als Einstieg in eine mögliche Unterhaltung sagte. Ich
hörte ein leises Kichern, während ich meine Augen noch immer geschlossen hielt.
„Du hast doch gar keinen Stift bei dir.“, sagte das Mädchen, mich wohl wirklich
ausreifend studiert zu haben. „Ich studiere dich schon eine ganze Weile und
habe beobachtet, dass du den Steppenwolf liest, ein gutes Buch übrigens, und
eher aussiehst wie ein Lesender als ein Schreibender. Ja, du bist für mich ein
Leser.“
„Und du bist für mich eine kleine Stalkerin.“,
hätte ich da am liebsten sofort entgegnet. Nicht einmal im öffentlichen Park
sollte ich ungestört lesen können. Ja, zu Hause konnte ich mich nicht konzentrieren,
wenn am Schreibtisch mein Computer reizte und überhaupt der Kühlschrank aus der
Küche so laut surrte. Ich riss meine Augen auf.
„Entschuldigung, aber ich versuche mich
tatsächlich aufs Lesen zu konzentrieren.“, entgegnete ich dann dem Mädchen. „Außerdem
teile ich mir ungern mit Fremden ein und dieselbe Bank. Wie heißt du überhaupt?“
„Ich heiße Juli und du kannst dich wohl auch nicht entscheiden, was du willst,
was?“, sagte das Mädchen keck. „Willst du mich jetzt kennenlernen oder willst
du in Ruhe lesen und ich gehe?“
„Zuerst einmal heiße ich Richard und
zuallererst wollte ich tatsächlich dieses Buch lesen, bis du mich mit deiner
verdammten Schönheit begannst abzulenken. Ich kann mich ja eigentlich nicht
beschweren, schön bist du ja.“
„Aha.“, sagte Juli nüchtern und verschränkte
teilweise die Arme. „Na gut.“, sagte ich, „ich gebe zu: Kennenlernen, bitte
gehe nicht.“
„Na also! Es geht doch.“, antwortete Juli. „Und
wollen wir uns vielleicht zusammen auf die Neckarwiese legen? Zwischen die
Blumen, diese Bank ist so hart und unbequem.“, fügte sie hinzu. „Oh ja. Prima!
Das ist eine gute Idee. Ich bin ohnehin ziemlich verspannt.“, stöhnte ich.
Wir legten uns also auf die Neckarwiese und
schauten beide gen blauen Himmel. An und zu sichteten wir sogar Schmetterlinge.
„Was führt dich bei diesem schönen Wetter in
den Park?“, fragte ich Juli, die Stille zwanghaft brechen wollend. Als wäre es
etwas Besonderes, bei schönem Wetter im Park zu sein. Na ja.
„Ach Richard, ich halte mich allgemein gerne
in der Natur auf, ob im Sommer oder im Winter, bei Hochgraden und bei Kälte. Am
Wochenende trifft man mich oft im Park, hier an der Neckarwiese. Aber im Sommer
bin ich doch lieber hier, wenn ich mir die Sonne auf die Nase scheinen lassen
kann.“
Wir sahen uns an. Ich bot Juli etwas von
meinem Wasser an und wir sonnten uns weiter in der letzten Herbstsonne.
Hoffentlich würden wir uns wiedersehen, dachte ich, denn langsam mussten wir
uns voneinander verabschieden. Wir umarmten uns noch und mit dem Rucksack auf
dem Rücken ging ich in Gedanken verträumt nach Hause. Zu Hause angekommen
tastete ich im Rucksack nach meinem Buch, um es auf den Nachttisch zu legen. Da
war es. Ich nahm das Buch heraus und dann sah ich es erst: ein Telefonbuch!
Ich war sichtlich verwundert. Ein Lesezeichen
war bei dem Buchstaben S zwischengelegt. Da wurde mir einiges klar, und ich
wusste auch, wen ich anrufen musste, um mir das Buch wieder zurück zu leihen. Oder
zu tauschen.
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